Wir sind ein wenig zu früh bei ihm aufgetaucht zum verabredeten Termin in seinem 2010 gegründeten Restaurant und seiner 2018 gegründeten Weinhandlung in Gersweiler/Saarbrücken. Jürgen Schnabel war gerade dabei, zusammen mit dem Winzer Markus Kiebel2 aus Mehring, Weine auszuladen. Wir wollen da nicht stören, schauen uns halt ein wenig um in dem 1845 errichteten ehemaligen Bau eines Beamtenhauses für den Prinz-Wilhelm-Schacht am Hirschenberg. Dort, wo heute nach zwei Kriegen, Zerstörung, Wiederaufbau, mehreren Eigentümerwechseln, Nutzungen als Ingenieurbüro bis hin zu einem italienischen Restaurant schließlich J.C. Schnabel sein Restaurant samt Weindepot einrichteten.
Neben dem Restaurant und dem Weindepot – augenscheinlich angelehnt an die heimatliche Atmosphäre von Siebenbürgen – entdecken wir ein Kaminzimmer, einen Konferenzraum, zwei getrennte Speisezimmer für sechs oder zehn Personen, ja, und sogar eine Bibliothek rund um den Wein.
Unübersehbar ausgelegt in dieser illustren „Wein-Bibliothek“ ist dort vierseitiger Ausdruck aus dem saarländischen Wochenmagazin „Forum“ vom 4. August 2023 mit dem Aufreißer „Das Maß aller Schnitzel?“ ausgelegt. Das Maß aller Schnitzel? Mhm, der „Tafelspitz vom Rind im Grumbeer-Kieschelchenmantel im Ofen“! Alles klar? Profan ins Hochdeutsche könnte es so lauten: „Tafelspitz vom Rind ummantelt mit Kartoffelreibekuchen!“
Noch nie gehört, noch nie gesehen. Doch bevor wir uns ein wenig in der Glosse „GENUSS GREnZENLOS à la Rolf Klöckner“ (Ehrenmitglied des Europäischen Instituts für Lebensmittel und Ernährungswissenschaft), einlesen, um das Genuss-Geheimnis des „Maßes aller Schnitzel in Gestalt des von Grumbeerkiechelschen ummantelten Tafelspitzes zu entschlüsseln, da steht er vor uns, der Siebenbürger Sachse, nun nicht mehr in seiner Arbeitskluft sondern elegant-leger gekleidet.
„Ach, ich seh schon, ihr habt Euch schon mal umgeschaut. Ja, und wenn es euch recht ist, dann zeig ich euch erst einmal das Weindepot und anschließend können wir ja etwas essen und ein paar Weine dabei verköstigen. Ihr habt die Wahl: „Wir können abgesondert vom Restaurantbetrieb in aller Ruhe uns – oder halt mittendrin unter den Gästen im Restaurant – zusammensetzen? Wie es euch beliebt. „
Wir, als nicht gerade gaumenverwöhnte Hunsrücker, entscheiden uns fürs MITTENDRIN, für das Eintauchen ins saarländische „Tafelspitz vom Rind im Grumbeer-Kieschelchenmantel im Ofen“. Und klar doch, wir haben das „Maß aller Schnitzel“ innerlich als Bestellung vornotiert.
Jürgen Schnabel ist auch großer Liebhaber französischer Weine.
Foto: J.C. Schnabel
Schnabel bezieht darüber hinaus auch Rotweine aus Dealu Mare, dem besten Rotweinanbaugebiet Rumäniens, gelegen im Anbaugebiet Munetien im Karpatenvorland.
Von dort stammen die besten Cabernet Sauvignon– und Merlot-Weine des Landes sowie die besten Rotweine aus der einheimischen Sorte Fetească Neagră (Schwarze Mädchentraube).
Zu allen Winzerbetrieben unterhält Jürgen Schnabel enge persönliche Geschäftsbeziehungen. Er ist einer von ihnen: Er spricht, denkt, fühlt interkulturell in ihren Sprachen und kennt ihre Sitten und Gebräuche. Er ist also ein „Wein-Diplomat“ zwischen West und Ost in Sachen Wein.
Und er kennt genau die angespannte Lage angesichts der Nähe zu der kriegsgeschüttelten Ukraine und weiß, wie im „Weinkrieg“ durch Einfuhrverbote die Exporte nach Russland und Belarus weitgehend zusammengebrochen sind. Ein extremer harter Schlag für ein Land, wo die Weinwirtschaft der wichtigste Produktionszweig ist. Moldawien, ein Weinland, welches mit Georgien auf eine jahrtausendelange Weintradition verweist.
Er weiß dies alles selbstredend, hebt aber bei der Präsentation seines Weindepots insbesondere den Lupi-Rotwein des wohl ältesten Weingutes Gitana von Moldawien wegen dessen schillernder Aromavielfalt hervor.
Weinkeller in Schnabels Restaurant.
„Staatsbankett“? Nein, so förmlich ging es nicht zu. Im Gegenteil! Es war ein Geschmackserlebnis für alle Sinne, für den Gaumen, den Magen und das Auge. Ein Menu persönlich, spontan komponiert und inszeniert von dem Maestro Schnabel: Ein, so will ich es mal nennen, ja, ein „Schnabelburger“ a la Bachsaiblingfilet im Blätterteig mit Avocado, Birne, Granatapfel und Limonensößchen, nachfolgend ein raffiniert-schlichtes Bouillonsüppchen, gekrönt von der Hauptspeise, dem inzwischen legendärem „Tafelspitz vom Rind im Grumbeerkieschelchenmantel im Ofen“: eine Hausspezialität aus Siebenbürgen nach dem Rezept der Ur-Oma.
Der alte Gewölbekeller bietet ein tolles Ambiente für Weinverkostungen in Schnabels Restaurant.
„Schnabelburger“ a la Bachsaiblingfilet im Blätterteig mit Avocado, Birne, Granatapfel und Limonensößchen.
Schnitzel mit vielfältigem Gemüse, rustikal und fein angerichtet.
„Tafelspitz vom Rind im Grumbeer-Kieschelchenmantel im Ofen“.
Mirabellen-Sorbet im Glas.
Damit nicht genug als unvergesslicher Ausklang wahlweise ein hochprozentiges Mirabellen-Sorbet und/oder hausgemachtes Eis, nicht zu vergessen – Frankreich liegt so nah zum Saarland – eine gemischt rustikale Käseplatte.
Im Schnabelschen Restaurant wird dies auf der Speisekarte in Form von saarländisch-kultureller Aneignung integriert als „Tafelspitz vom Rind im Grumbeer-Kieschelchenmantel im Ofen“!
Hausgemachtes Eis im Schnabels Restaurant.
Käseteller mit Brot und Trauben zum Wein.
Foto: J.C. Schnabel
Hier gerät unserer Wein-Sherpa nun endgültig ins Schwärmen: „Diese Aromenvielfalt in einer unglaublichen Spannbreite von Brombeeren, Paprika, Pfeffer, Kaffeebohne bis hin zu Karamell und noch einiges mehr im betörenden Wechsel von einem Moment zum nächsten Moment… Und immer wieder schwenkt er ergriffen sein Weinglas, riecht tief ins Glas hinein, scheint im Wein sich aufzulösen, und wir können ihm nur noch staunend – lediglich mit höchster Konzentration – folgen hinauf auf den LUPI-Gipfel, und ja doch, es ist wahr, was einst der ungarische Wein-Philosoph Béla Hamvas weinselig-ekstatisch der Welt entrückt, postulierte:
„ZWEI BLEIBEN ÜBRIG, GOTT UND DER WEIN!“7
Nach dem Abstieg vom LUPI-Weingipfel auf der Rückfahrt in den Hunsrück wurde klar:
Für ihn, für Jürgen Schnabel, ist Wein kein Beruf, es ist seine Berufung. Er verkauft nicht bloß Wein als Weinhändler, er bietet nicht Weine in seinem Restaurant in Gersweiler (Saarbrücken) an. NEIN, er zelebriert seinen Gästen mit Herzensweinblut vorzügliche rumänische und moldavische Weine. Er lebt für den Wein, vom Wein, JA, in seinen Adern fließt Wein.
In Vinaet.de verwirkliche ich meine Passion für das Thema Wein und möchte Sie daran teilhaben lassen.
Weine probiere ich am liebsten blind, um unvoreingenommen zu sein. Riesling & Frühburgunder verzücken mich immer wieder.
Zusammen mit meinem Vater Richard Pestemer genieße ich die Besuche bei den Winzern vor Ort.
Ich freue mich über Ihr Feedback als Besucher. Schreiben Sie mir gerne an info@vinaet.de. An vielen Stellen habe ich das Besucher-Feedback schon einfließen lassen.
1. Feller Weinspektakel: https://www.weinspektakel.de-/images/-Download/-Broschure_WS_2023_-Online_144dpi.pdf
2. J.C.Schnabel Weinhandlung: https://schnabel-weinhandlung.de/produkt/moselkoenig/
4. Transsilvanus Blog: https://www.transilvanus.de/Balla-Geza-Feteasca-Regala
5. J.C.Schnabel Weinhandlung: https://schnabel-weinhandlung.-de/-produkt/portret-gitana-winery/
6. J.C.Schnabel Weinhandlung: https://schnabel-weinhandlung.de-/produkt/-blaufraenkisch/
7. Richard Pestemer: Eine kurze Vorstellung der Grundauffassungen von Béla Hamvas im Philosophie des Weins (1994). In: Vinaet.de. URL: https://-www.vinaet.de-/2021-/02-/26-/-bela-hamvas-die-philosophie-des-weins/
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